Schwule geschichte wien
Juli Er hatte gerade erfahren, dass der österreichische Justizminister den Entwurf eines neuen Strafrechts vorgelegt hatte, der die strafrechtliche Verfolgung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen abschaffte. Doch Ulrichs freute sich viel zu früh! Der Entwurf wurde vom Reichsrat nie beschlossen und es sollte bis dauern, dass das sogenannte Totalverbot homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen straffrei gestellt wurde.
Kaiser Franz Joseph I. Durch die geschlechtsneutrale Formulierung des Paragrafen war auch die strafrechtliche Verfolgung weiblicher Homosexualität möglich — eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Ländern, die nur männliche Homosexualität verfolgten. Ein Vergleich von europäischen Kriminalstatistiken zeigt überdies, dass in Österreich die Verfolgungsintensität von der Monarchie bis in die Zweite Republik am höchsten war.
Der Arzt Magnus Hirschfeld machte sich mit der Gründung des Wissenschaftlich Humanitären Komitees WHK in Berlin zum Wortführer der ersten männlich dominierten Homosexuellenbewegung, die auch in Österreich für die Abschaffung der strafrechtlichen Verfolgung warb.
Hirschfeld fand dabei in Wien selbst wenn sie seinen wissenschaftlichen Thesen teilweise kritisch gegenüberstanden bedeutende Fürsprecher wie Sigmund Freud oder Karl Kraus. Der Versuch, in Wien eine eigenständige, selbstbewusste von Homosexuellen getragene Bewegung wie in Berlin zu etablieren, scheiterte allerdings.
Eine für angekündigte Gründung einer Wiener Dependance des WHK ging über die Ankündigung offenbar nicht hinaus. Eine Selbstorganisation lesbischer Frauen ist ebenso wenig nachweisbar. Im Mai reichte der angesehene Wiener Anwalt Dr. Dem Schreiben beigelegt wurden eine mehrseitige Begründung und eine Liste mit den Unterschriften von 63 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur, die dieses Anliegen unterstützten.
Im Gegensatz zum WHK Hirschfelds und dem Bund für Menschenrecht, die unterstützt von Erkenntnissen der sexualwissenschaftlichen Forschung emanzipatorisch agierten, argumentierte die hinter der Ekstein-Petition stehende Gruppe aus Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft auf Basis eines umfassenden Verständnisses der Menschenrechte.
In diesem Lichte betrachtet war die Ekstein-Petition wegweisend. Eine weiterführende Diskussion über sie gab es aber nicht, der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft verhinderte dies. So erscheint die Ekstein-Petition wie ein letztes Aufflackern der vom Geist der Menschenrechte getragenen Humanität vor dem Sieg der Barbarei.
Unter austrofaschistischem und nationalsozialistischem Regime war Selbstorganisation kaum möglich, unter den Nazis schnellten die Verhaftungszahlen nach oben, den Beschuldigten drohten lange Haftstrafen und KZ. Eine schwule bzw. Selbst in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur gab es eine kleine, verborgene Lokalszene.
Die Möglichkeiten zur Selbstorganisation blieben bis in die er-Jahre sehr beschränkt. Aber selbst nachdem eine auch mit konservativen Experten besetzte Kommission zur Reform des Strafrechts die Abschaffung des Totalverbots empfohlen hatte, scheiterte die Umsetzung am nachhaltigen Widerstand der ÖVP.
Erst Justizminister Christian Broda sollte unter SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky die Reformvorschläge von umsetzen. Die Gründung von Vereinen, die sich öffentlich für die Rechte von Lesben und Schwulen einsetzten, schien damit unmöglich. In Deutschland, wo die Schwulenbewegung seit den frühen er-Jahren aktiv war und wohin die bewegten österreichischen Schwulen blickten, gab es eine konfliktreiche Beziehung zur Lesbenbewegung, die dazu führte, dass sich kooperative Projekte erst spät entwickelten.
Im Gegensatz zu Deutschland entwickelte sich in Wien aber bald eine enge institutionelle Zusammenarbeit zwischen Lesben und Schwulen.
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Etwa zur selben Zeit besetzten in Wien einige Lesben und Schwule an der Linken Wienzeile ein zum Abbruch vorgesehenes Haus, das der Stadt Wien gehörte. Die Stadt Wien konnte in Person der zuständigen Stadträtin Gertrude Fröhlich-Sandner überzeugt werden, dem Trägerverein der Villa das Baurecht für das Gebäude zu übertragen, womit die Generalsanierung des Hauses möglich wurde.
Was sich heute als Erfolgsgeschichte liest — sowohl die HOSI als auch die RLV sind heute noch aktive und zentrale Orte der queeren Community Wiens —, war eine von vielen Diskussionen, Konflikten und Abspaltungen geprägte Geschichte, doch fanden sich immer wieder Kompromisse und Schnittmengen, die einen gemeinsamen Weg möglich machten.
Sorge und Trauer über den Aids-Tod befreundeter schwuler Männer verstärkte die Solidarisierung lesbischer Frauen, die Krise beförderte Einigkeit. Weder für feministische Lesben noch für hedonistische Schwule war die Ehe ein erstrebenswerter Lebensentwurf, aber aus Trauer und Verzweiflung geboren wurde die Forderung nach rechtlicher Anerkennung von Beziehungen bis zur vollkommenen Angleichung mit der heterosexuellen Ehe zu einem der wichtigsten Kampfgebiete der Lesben- und Schwulenbewegung, die sich im Laufe der er-Jahre immer weiter differenzierte.
Neben Vereinen wie dem Rechtskomitee Lamdba, mit dessen Unterstützung viele entscheidende rechtliche Änderungen zugunsten von LGBTI bei den Höchstgerichten erkämpft werden konnten, traten überparteiliche Verbände wie das ÖLSF Österreichisches Lesben- und Schwulenforum , Interessenverbände wie die agpro Austrian Gay Professionals und die Queer Business Women und Parteiorganisationen von den Grünen andersrum über die SoHo Sozialdemokratie und Homosexualität bis zu anders lieben des kurzlebigen Liberalen Forums.